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AVIVA-BERLIN.de im Mai 2024 - Beitrag vom 07.04.2016


Neuregelung des Mutterschutzrechtes - djb fordert Weichenstellung für ein neues Leitbild und eine bessere Praxis
AVIVA-Redaktion

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) übt Kritik am neuen Referentenentwurf vom 3. März 2016, wonach der Mutterschutz weiterhin auf veralteten paternalistischen Vorstellungen basiert und eine Anpassung an die moderne Arbeitswelt fehlt. Die Forderung: Mutterschutz muss in den betrieblichen Arbeitsschutz und ...




... die Arbeitsschutzpolitik integriert werden, diskriminierungsfreier Arbeitsschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.

Ramona Pisal, Präsidentin des djb über den seit Anfang März vorliegenden Entwurf zur Neuregelung des Mutterschutzrechtes in Deutschland:
"Endlich kommt Bewegung in die seit langem überfällige Reform des Mutterschutzrechtes. Nun muss es aber auch in die richtige Richtung gehen, diskriminierungsfrei und wirksam - dazu sind Weichenstellungen nötig, die wir im vorliegenden Entwurf noch vermissen."

In seiner Stellungnahme kritisiert der djb das geltende Mutterschutzrecht mit seinem überholten, paternalistischen Leitbild, demzufolge die Frau in Schwangerschaft und früher Mutterschaft zu Hause besser aufgehoben sei als an ihrem Arbeitsplatz. Ramona Pisal: "In der betrieblichen Realität herrscht eine Praxis vor, wonach Schwangerschaft und Mutterschaft entweder überhaupt keine Rolle spielen darf, oder die damit aufkommenden Fragen möglichst schnell vom Arbeitsplatz nach Hause hin wegorganisiert werden. Also nicht der Schutz der Frau, sondern der Schutz des Betriebes vor dem Schutzbedarf der Frau ist die Devise."

Dies stehe in klarem Gegensatz zum modernen EU-Leitbild mit seinen Vorgaben für einen präventiven, teilhabefördernden und diskriminierungsfreien Mutterschutz. In seiner Bewertung des Referentenentwurfes sieht der djb zwar einige Schritte in die richtige Richtung, so z.B. die Integration der Mutterschutzverordnung in das Mutterschutzgesetz, die Konkretisierung und Aktualisierung des Anwendungsbereiches sowie der Gefährdungskataloge, ein besserer Kündigungsschutz bei einer Fehlgeburt oder Frühgeburt.

Deutliche Kritik übt der djb daran, dass der Entwurf an vielen Stellen im Althergebrachten, Überholten stecken bleibt, so etwa beim Arbeitszeitschutz bei Mehrarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit und den vorgesehenen Branchen-Ausnahmen. Die moderne Arbeitswelt mit neuen zu beachtenden Risiken, z.B. den psychischen Belastungen, und mit ihren hochflexibilisierten Arbeitszeitsystemen sei nicht im Blick, entsprechend fehle es hier an der Anpassung des Mutterschutzes. Anderseits bieten neue Technologien und Arbeitsorganisationsformen auch die Chance, traditionelle Belastungen zu vermeiden oder zu mindern, so dass für den Schutz der Frau und ihres Kindes kein Beschäftigungsverbot mehr notwendig ist.

Der Mangel an neuem Denken zeigt sich auch daran, dass nach wie vor - beabsichtigt oder unbewusst - der Leitgedanke "Bei Schwangerschaft Beschäftigungsverbot" den gesamten Gesetzentwurf durchzieht. Das individuelle Beschäftigungsverbot, so der djb, bleibe hiermit für die Praxis das "Mittel der Wahl" und nicht, wie im Arbeitsschutzgesetz ausdrücklich postuliert, die Ultima Ratio. Nachdrücklich betont der djb die Notwendigkeit, den Mutterschutz gleichwertig und wirksam als Aufgabe in den betrieblichen Arbeitsschutz und die Arbeitsschutzpolitik zu integrieren. Dem wird der Entwurf bislang noch nicht gerecht.

Die djb-Präsidentin zur seit Jahren anstehenden Aufgabe der EU-konformen gleichstellungsfördernden Reform des Mutterschutzrechts in Deutschland: "Der vorliegende Gesetzentwurf und die Anhörung der Verbände können nur der Anfang einer umfassend und mit Fachkompetenz zu führenden Debatte über die grundlegende Neuausrichtung des Mutterschutzes sein - für ein gutes Gesetz bleibt noch viel zu tun!"

Das neue, zukunftsgerechte Mutterschutzrecht müsse von den folgenden Orientierungen bestimmt sein: proaktiv für eine generell "schwangerschaftskompatible" diskriminierungsfreie Arbeitsplatzgestaltung, partizipativ und kommunikativ im Verhältnis zwischen Arbeitgeber_in und beschäftigten Frauen, effektiv im allgemeinen Arbeitsschutz so verankert, dass der Schutz von Schwangeren und Müttern zu einer ganz normalen Arbeitsschutzaufgabe wird.

"Nur wenn wir diese Debatte erfolgreich führen - unter allen Zuständigen und Verantwortlichen, und nicht als reines Frauenthema unter Frauen, werden wir das "Magische Dreieck" verwirklichen: effektiver Gesundheitsschutz für Mutter und Kind - informierte Selbstbestimmung der Frau – diskriminierungsfreie Beschäftigungssicherung", so Ramona Pisal.

Mehr Infos:
www.djb.de

Weitere Informationen finden Sie unter:

Broschüre des BMFSFJ – Leitfaden zum Mutterschutz


Quelle:
djb-Stellungnahme st16-05
Deutscher Juristinnenbund e.V.
29. März 2016


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Beitrag vom 07.04.2016

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